Bleiberecht und Anerkennung für die Flüchtlinge!
Benefizkonzert in Hamburg-Steilshoop: Fr., 1.11., 19.30 Uhr, Stadtteiltreff AGDAZ, Fehlinghöhe 16
Großdemonstration am Sa., 2.11., 14.00 Uhr, Hachmannplatz (HH-Hauptbahnhof)
Seit Monaten kämpfen rund 350 Menschen in Hamburg darum, auf Dauer in Sicherheit in der Hansestadt bleiben zu können. Sie sind vor dem Krieg in Libyen, der auch von europäischen Staaten geführt wurde, über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa nach Europa geflohen. Angeblich zum »Schutz der Zivilbevölkerung« hatte die NATO 2011 fast 10.000 Angriffe auf Libyen durchgeführt. »Wir, Arbeiter in Libyen, waren Teil der Zivilbevölkerung. Wir wurden zum Angriffsziel von allen Kriegsparteien«, schreibt die nach Hamburg gelangte Flüchtlingsgruppe. »Die NATO behauptet, sie wisse nichts von zivilen Opfern durch ihre Bombardierungen. Jemand, der aus tausenden Metern Höhe Bomben auf bevölkerte Gebiete abwirft, den interessieren zivile Opfer nicht. Wir haben die Detonationen am eigenen Körper gespürt. Wir haben die Toten in den Straßen gesehen. Es waren Verwandte und Bekannte darunter.«
Die Gruppe schreibt weiter: »Als im März 2011 die Bombardierungen der NATO zur Unterstützung der bewaffneten Gegner des Regimes begannen, eskalierte der Krieg. Weil keiner der Kriegsparteien zugehörig, wurden wir von allen Seiten verdächtigt und beschuldigt. Insbesondere die Propagandalüge der Gaddafi-Gegner „Schwarze sind Söldner des Regimes“ hat vielen von uns das Leben gekostet. Von allen Seiten wurden wir bedroht und ausgeraubt. Alle Wege zu den Grenzen der Nachbarländer waren gesperrt, bzw. wurden umkämpft oder bombardiert. Die Flughäfen waren dicht. Wir liefen um unser Leben und versteckten uns in unseren Wohnungen. Manchmal waren es libysche Freunde, die uns an die Küste brachten, um uns und sich selbst aus der Gefahr zu bringen. Viele wurden vom Militär unter Zwang in kleine Schiffe und Schlauchboote gebracht.«
Eine Mutter, die heute mit anderen Flüchtlingen in Berlin lebt, schildert: »Wir waren 850 Menschen auf einem Boot. Ich habe meine zwei Kinder verloren, als das Boot kenterte. 650 Menschen haben nicht überlebt.«
Italien prüfte die Fälle der dem Krieg entflohenen Menschen und erteilte allen Betroffenen den individuellen Flüchtlingsschutz. Zugleich erklärte sich Rom für unfähig, diesen praktisch umzusetzen und trieb die Kriegsflüchtlinge ausgestattet mit Touristenvisa aus dem Land in Richtung Nordeuropa. Die Notwendigkeit für die Überlebenden, nach allen Verlusten ihr Leben neu aufbauen zu können, wird aber von den Regierungen der Länder, die der ganzen Welt Demokratie und der Menschenrechte predigen, blockiert.
In Hamburg wächst die Solidarität mit den Betroffenen, während der Senat – die SPD-geführte Landesregierung – jede Lösung blockiert. In der vergangenen Woche demonstrierten rund 10.000 Menschen nach dem Heimspiel des FC St. Pauli für die Flüchtlinge. Eine weitere Großdemonstration ist für diesen Sonnabend, 2. November (14 Uhr, Hachmannplatz am Hamburger Hauptbahnhof) geplant.
Einen Tag vorher ruft der Stadtteiltreff AGDAZ e.V. (Arbeitsgemeinschaft deutsch-ausländische Zusammenarbeit) in Hamburg-Steilshoop zu einem Benefizkonzert für die Flüchtlinge auf. »Als Kulturzentrum heißen wir Flüchtlinge herzlich willkommen«, heißt es in dem Einladungsschreiben. »Der Senat verfolgt aber weiterhin die harte Linie. Ein soziales Hamburg sieht anders aus. Deswegen unterstützen wir gerne! Bringen Sie Großeltern, Eltern, Kinder. Ex- und viele neue, am besten nette und gut betuchte Freunde mit!«
Auftreten werden an der Fehlinghöhe 16 in Steilshoop Abi Wallenstein, Essim Kofman (Akkordeon), das Trio Gutzeit, OneStepAhead (Rapper) und das Duo Sascha Koratkewitsch & Klaus Rohls (Singer/Songwriter). Der Eintritt ist frei, um Spenden für die Flüchtlinge wird aber gebeten.
Bereits vor zwei Wochen hatte sich der Deutsche Freidenker-Verband in einem offenen Brief an den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch gewandt und gegen die zunehmenden Behördenschikanen gegen die Flüchtlinge protestiert. »Wenn es schon unerträglich ist, wie seit Monaten mit den Menschen umgegangen wird, die ganz bestimmt ihre Heimat nicht aus Abenteuerlust verlassen haben, sondern weil es für sie nur Flucht oder Tod gibt und gab, ist die polizeiliche Willkür der letzten Tage schon gar nicht mehr zu begreifen. Es geht um Menschen, die bis zum Bombardement der NATO in Libyen Arbeit und sicheres Auskommen hatten«, schreibt Angelika Scheer als Landesvorsitzende des norddeutschen Landesverbandes des DFV. »Der Deutsche Freidenker-Verband, Landesverband Nord e.V., erwartet gemeinsam mit zahlreichen Persönlichkeiten, Gewerkschaften, Schulklassen, Kirchen, Parteien und Vereinen eine Lösung für diese Menschen und im übrigen für alle Menschen, die vor Ausbeutung, Hunger und Krieg ihre Länder verlassen, weil ihnen kein anderer Ausweg bleibt. Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an zahlreichen Kriegseinsätzen trägt ganz bestimmt nicht zur Gestaltung einer friedlicheren Welt bei.«
Eine Antwort auf dieses Schreiben steht bis heute aus.