Sie werden nicht vergessen: Gedenkfeier für die 7000 Opfer der Cap-Arcona-Katastrophe in Neustadt/Holstein am 3. Mai 1945

Kategorie: Schleswig-Holstein Veröffentlicht: Montag, 04. Mai 2009

Gedenkveranstaltung für die Opfer der Cap Arcona

Zu einer bewegenden Feier gestaltete sich die diesjährige Veranstaltung zum Gedenken an die Schiffskatastrophe in der Neustädter Bucht in Erinnerung des tausendfachen Todes von KZ-Häftlingen am 3. Mai 1945 - wenige Tage vor der Befreiung und dem Ende des Weltkrieges. Die erste Trauerfeier hatte bereits wenige Tage nach der Katastrophe mit dem legendären späteren DDR- Schauspieler Erwin Geschonnek stattgefunden, der im letzten Jahr über 100-Jährig gestorben ist.


An der Kranzniederlegung nahmen Vertreter von gesellschaftlichen Gruppen wie der Arbeitskreis Cap Arcona aus Neustadt, die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e.V., der DGB, die SPD, die Partei Die Linke sowie die Stadt Neustadt/H. und das Land Schleswig-Holstein teil. Auch legten Mitglieder des Vorstands des Deutschen Freidenker-Verbands (DFV) Landesverband Nord e.V. ein Gesteck nieder. Als einzige Fahne wehte dieses Jahr die Fahne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA) neben dem Ehrenmahl. Zu den Rednern zählte neben dem überlebenden ehemaligen Häftling Wim Alosery aus den Niederlanden, der Bürgervorsteher von Neustadt Sönke Sela, Hugo Rübsam vom Förderkreis Cap Arcona-Gedenken/Politische Memoriale e.V. aus Mecklenburg-Vorpommern und Marco Kühnert von der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e.V. Diese rührige Vereinigung aus Hamburg gestaltete eine Szenische Lesung. Der Text basiert auf einer Rundfunksendung des "Hamburger Rundfunks" vom 10. Juni 1945 (!) mit ehemaligen Häftlingen und ihren sehr aktuellen Erfahrungen und Eindrücken.

Bereits am 2. Mai (Vorabend des 3. Mai) hatte der Arbeitskreis Cap Arcona im "Forum" der Stadt Neustadt eine Veranstaltung mit dem überlebenden ehemaligen KZ- Häftling Wim Alosery aus den Niederlanden veranstaltet. Dort sprach er ausführlich über seine Erlebnisse während der KZ-Zeit in Neuengamme und dem Transport fast aller Häftlinge in die Lübecker Bucht. Es war der Befehl der Naziführung angesichts der nahenden Niederlage alle Konzentrationslager zu räumen und die KZ ohne Häftlinge in die Hände der allierten Truppen fallen zu lassen. Auf Todesmärschen oder so wie durch Versenken von vollgeferchten Schiffen sollten die meisten Häftlinge ermordet werden. Das geschah auch leider zum größten Teil. Nur Häftlinge des KZ Buchenwald konnte sich selber befreien.

Wenige Tage vor der Befreiung vom Faschismus und dem Ende des 2. Weltkrieges fanden am 3. Mai 1945 über 6000 KZ-Häftlinge in der Neustädter Bucht in der Ostsee den Tod. Die Häftlinge aus vielen Ländern Europas waren von den Kommandanten des Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme und anderen Lagern des Naziregimes wenige Tage vor dem sich abzeichnenden Endedes Krieges und des Zusammenbruchs des Naziregimes auf den Transport nach Lübeck gebracht worden. In Neuengamme blieben 50 totkranke Menschen ohne Verpflegung und Versorgung zurück. Tausende wurden ohne Essen und Trinken mit Güterwagen an die Ostsee auf drei von der Kriegsmarine beschlagnahmte Schiffe verfrachtet und ohne Rotkreuz-Kennzeichnung auf die offene See vor der Stadt Neustadt in Holstein letztlich zum Beschuss durch die britischen Flieger freigegeben. Die Engländer waren bereits wenige Kilometer vor Neustadt. Rostock war bereits von der Roten Armee eingenommen worden.

Offensichtlich kam es zu einem tragischen Irrtum wenige Stunden vor der Befreiung der Häftlinge durch die Air Force, den englischen Fliegern. Die britischen Truppen beobachteten jede Feindbewegung auf der Ostsse aus der Luft und griffen die Schiffe Cap Arcona und Thielbeck, die mit der Reichskriegsflagge "geschmückt" waren, an. Die deutsche Besatzung erwiderte das Feuer, das Schiff geriet in Flammen, Häftlinge und Wachmannschaften gerieten in Panik. Von den tausenden Häftlingen konnten sich nur wenige Hundert retten, die zum Teil in der damals eisigen Ostsee schwimmend versuchten an Land zu kommen. Viele ertranken vor Entkräftung wenige Meter vor dem Strand. Der aus den Niederlanden stammende überlebende Teilnehmer und Redner der diesjähren Cap Arcona Veranstaltung Wim Alosery schilderte, wie er mit einem russischem Mitgefangenen auf ein Ruderboot klettern konnte, nachdem er sich über ein Tau vom Schiff hangelte und letztlich nackt -- damit sich im Wasser die Häftlingkleidung nicht vollsaugen und ihn in die Tiefe hätte ziehen können, letzlich an den Strand von Pelzerhaken kamen. Dort wurde diesem Niederländer von einem freundlich gesinnten Menschen eine Decke übergeworfen und ins nahe gelegene Hilfslazarett gebracht. Dieses Verhalten eines Mitmenschen war damlals keineswegs selbstverständlich.

Die SS hatte noch in letzter Minute den an der Küste harrenden Menschen, die das Drame sahen, gesagt, dass die Menschen, die sich schwimmend ans Ufer retten wollten, alles Verbrecher seien und "abgeknallt" werden müssten. Darauf verwies ein weiterer Redner, der Bürgervorsteher Sönke Sela auf der Gedenkfeier auf dem Ehrenfriedhof hin. Die Gedenkstätte befindet sich unmittelbar am Ostseeufer von Neustadt / Pelzerhaken.

Außer der zentralen Gedenkstätte in Neustadt gibt es noch 17 weitere Gedenkorte in Schleswig-Holstein und Mecklenburg für die Opfer der Cap Arcona Katastrophe. Weitere Auskünfte sind zu erhalten Museum Cap Arcona Neustadt in Holstein. Postadresse: Stadtverwaltung Neustadt in Holstein, Am Markt 1, 23730 Neustadt in Holstein, Tel. 04561 3977-0 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!