Hello, Mary Lou - oder: Danke Irland!

Kategorie: Aktuell Veröffentlicht: Mittwoch, 18. Juni 2008
Man konnte die Uhr danach stellen, und pünktlich brach es aus: Das Klagen und Wehgeschrei über die Iren, dank deren Votum der ominöse „Vertrag von Lissabon“ Makulatur wurde.
„Europa ist in der Krise“, barmt „Der Spiegel“, und will glauben machen, dass die EU Europa sei. Dabei geht es Europa nach dem irischen Votum wieder entschieden besser, nur das Bündnis der EU-Imperialisten hat Grund, Trauer zu tragen.
Alle Drohungen haben nichts genutzt. Selbst der Kosovo-Kolonialgouverneur und jetzige französischen Außenminister Bernard Kouchner (in Fachkreisen „Vater aller Menschenrechtskriege“ genannt) konnte mit seiner unverschämten Einschüchterung nichts ausrichten: "Sie haben mehr profitiert als andere. Es wäre sehr störend, wenn wir uns nicht auf die Iren verlassen könnten, die sich stark auf Europas Geld verlassen haben". Seine Drohung, im Fall der Ablehnung würden die Iren "die ersten Opfer" sein, machte keinen Eindruck.
Das Europa der Banken und Konzerne hat eine Niederlage erlitten. Die am Wählervotum Frankreichs und der Niederlande gescheiterte „EU-Verfassung“ wurde kaum verändert und schlecht getarnt als „Vertrag von Lissabon“ wieder auf die Rampe geschoben – alter (ungenießbarer) Wein in neuen Schläuchen. Damit sollte der Kapitalismus als einzig zulässiges Wirtschaftssystem Verfassungsrang bekommen, und alle EU-Staaten zu permanenter Aufrüstung verpflichtet werden.

Jetzt hebt in den Konzernmedien das große Geschrei um ‚die Demokratie’ an – „Die Zeit“ lässt einen Berliner Verein zu Wort kommen, es sei „ein Unding, dass knapp drei Millionen wahlberechtigte Iren stellvertretend für 495 Millionen Europäer über die Zukunft der EU entscheiden - das entspricht noch nicht mal einem Prozent der EU-Bevölkerung“.
Was aber haben die Volksverdummer mal wieder verschwiegen? Dass von den 495 Millionen kein Mensch gefragt wurde. Was liegt also näher, als die drei Millionen Iren als 100% der abstimmungsberechtigten EU-Bürger zu werten!
Vielleicht kommen aber jetzt ein paar der 495 Millionen auf die Idee, das mit der Demokratie im eigenen Land mal etwas genauer klären zu wollen.
Auch in diesem Sinne sollte die irische Feierlaune ansteckend wirken.
Sogar die Freidenker haben daher Grund genug, neben den irischen Sozialisten und Demokraten der katholischen Sinn Féin und ihrer mutigen Vorkämpferin der „No!“-Kampagne, der EP-Abgeordneten Mary Lou McDonald herzlich Dank zu sagen und zu ihrem Erfolg, der uns allen gehört, zu gratulieren.
Und noch ein Vorschlag:
Wenn Sie in diesen Tagen ausgerechnet mit einem Fähnchen am Auto durch die Landschaft fahren möchten: Kaufen Sie doch ein irisches!

Klaus Hartmann
Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes